Nationaler Aktionsplan Open Data: Bericht vom Meilenstein-Workshop

Die Bundesregierung hat im Juni 2013 die Open Data Charta der G8 unterzeichnet und sich damit zu konkreten Handlungsschritten verpflichtet. Mit einiger Verspätung wurde nun ein Aktionsplan Open Data unter Federführung des BMI entworfen, der diese Verpflichtungen enthält. Die Verpflichtungen und ein Monitoring dazu gibt es onlineIm Aktionsplan findet sich die Verpflichtung, die Zivilgesellschaft einzubeziehen, der bisher einzige dort genannte Meilenstein ist ein Workshop des BMI mit der Zivilgesellschaft – er fand am 27.01.2015 in Berlin statt. Ich habe an diesem Workshop teilgenommen und möchte hier kurz meine Eindrücke zusammenfassen. Wir waren Vertreter*innen der folgenden NGOs: Transparency International, Open Data City, CodeforDE, Open Knowledge Foundation, FFN, Creative Commons Deutschland, CoLab, Digitale Gesellschaft, Stiftung Neue Verantwortung, Wikimedia sowie das Government 2.0 Netzwerk Deutschland e.V., für das ich teilnahm. Von Seiten BMI waren zwei Vertreter der Abteilung O mit Fachverantwortung für Open Data anwesend.

Vom Bundesinnenministerium wurden zuerst die vier Verpflichtungen der Bundesregierung aus dem Aktionsplan vorgestellt:

1. Verpflichtung: Richtungssignal vorgeben für offene Daten in Deutschland

  • Angestrebt wird eine gesetzliche Open Data Regelung, mit  der  die  Veröffentlichung  von Verwaltungsdaten mit einheitlichen Beschreibungen, in maschinenlesbaren Formaten und unter Verwendung  offener  Lizenzen  oder  anderer einschlägiger  Instrumente zum  Grundsatz  erklärt wird. (Anmerkung: was diese einschlägigen Instrumente sind, wurde nicht weiter konkretisiert)
  • Angestrebt wird eine Regelung im Wege einer Nutzungsverordnung, die auch die internationale Datenverwendung sicherstellen soll, Basis wird laut Aktionsplan die internationale Definition von “offen”.
  • Dazu gehört auch das Erstellen einer Studie zu Einnahmen/Kosten, die im Zusammenhang mit dem Verkauf von Daten durch die öffentliche Hand entstehen. Diese Studie befindet sich gerade im Vergabeprozess, mit Ergebnissen wird im Herbst 2015 gerechnet. Sie soll die häufigen Fragen beantworten nach: Wo verdient der Staat überhaupt tatsächlich am Verkauf von Daten? – und wo ist es nur ein vermeintlich gutes Geschäft, weil die Kosten die Einnahmen übersteigen? Wo sind staatliche Stellen gesetzlich verpflichtet, Daten zu verkaufen (wie z.B. beim Wetterdienst, der gewinnorientiert arbeiten muss).
  • Außerdem soll eine Handreichung entwickelt werden, die bei Vergabeprozessen und der Entwicklung von IT-Systemen hilft, sie so zu gestalten, dass eine spätere Offenlegung von Daten einfach umsetzbar ist.

2. Verpflichtung: Veröffentlichung von Daten

  • Veröffentlichung von mind. 2 Datensätzen bis Ende Q1 2015 je oberste Bundesbehörde, Bundesoberbehörde, Bundesmittelbehörde (über die Ehrgeizigkeit dieses Ziels kann man trefflich streiten, Fakt ist, dass selbst 2 Datensätze pro Bundesbehörde schon ein echter Fortschritt wären)
  • Problem: vielerorts ist selbst in Behörden nicht bekannt, welche Daten überhaupt vorhanden sind – man denkt in Akten, nicht in Daten (Anmerkung: der gesamte Aktionsplan Open Data meint mit Open Data nicht etwa die Offenlegung von Public Sector Information – die sehr wohl auch alle Arten Berichte, Akten, Gutachten, Protokolle etc. mitmeint, sondern ausschließlich Rohdaten in Form nackter Zahlen)
  • Der Fokus soll auf Daten mit hohem Nutzwert liegen

3. Verpflichtung: Veröffentlichung auf nationalem Open Data Portal

  • Das nationale Datenportal GovData.de läuft als Projekt des IT-Planungsrats jetzt im Regelbetrieb
  • Standards für Metadaten befinden sich noch in Entwicklung

4. Verpflichtung: Konsultation, Engagement, Erfahrungsaustausch

  • Umfaßt Kooperation mit der Zivilgesellschaft (dieser Workshop ist Teil davon), aber auch mit Wirtschaft, Wissenschaft und internationalen Akteuren (z.B. hinsichtlich Einbindung in europäische Dateninfrastruktur)

In der nachfolgenden Debatte wurden viele Fragen gestellt und beanwortet, so wissen wir nun, dass mit dem Thema Open Data insgesamt drei Personen im BMI beauftragt sind, die auf sehr begrenzte Budgets innerhalb des Topfes “Digitale Verwaltung 2020” zugreifen können. Diese Ressourcen sind absolut ungenügend, zumal zwar die Federführung im BMI erfolgt, aber alle anderen Bundesressorts ebenfalls Open Data Aufgaben zu erledigen haben – aber ohne irgendwelche zusätzlichen Ressourcen. Das verursacht natürlich Probleme, spätestens dann, wenn es um Offenlegung als Standard und nicht mehr nur um zwei Datensätze geht.

Das in Gänze sehr konstruktive Meeting hatte manchmal trotzdem einige absurde Momente, etwa als meine Bitte, die Liste der Open Data Ansprechpartner der anderen Bundesministerien zu veröffentlichen, mit Verweis auf den Datenschutz abgelehnt wurde. Darauf, dass OPEN (!) DATA Verantwortliche einen Geheimstatus genießen könnten, wäre ich im Leben nicht gekommen, mir scheint das ein Widerspruch in sich. Immerhin ist hier das letzte Wort nicht gesprochen, das BMI will sich noch einmal intern mit diesem Wunsch beschäftigen. Notfalls werden wir über fragdenstaat.de diese Liste in Erfahrung bringen.

Da wir nach Wünschen und Anregungen zum Thema Open Data gefragt wurden, habe ich (wieder einmal) vorgeschlagen, das govdata Portal um eine Art “Datenwünsch” Button zu ergänzen. Solche “Wünsch-Dir-Was” Buttons sind internationaler Standard, aber selbst in Deutschland gibt es Portale wie das Open Data Portal der Stadt Rostock, die so einen Button haben – inklusive transparenter Veröffentlichung aller Datenanfragen verbunden mit Ampelstatus und Behördenfeedback.

Leider wird es auch diesen Button nicht in absehbarer Zeit geben, die Widerstände dagegen seien zu groß und kämen von vielfältigen Seiten, man fürchte Mehraufwände, Leistungsdruck durch Transparenz, generell würde der Eindruck entstehen, man wäre nicht so wirklich für eine Öffnung… ja, das war auch mein Eindruck. Diese Forderung der Community ist schon etliche Jahre alt. Ich hatte gehofft, mit diesem G8 Aktionsplan im Rücken – einem endlich konkreteren Papier zum Thema Open Data in Deutschland – gäbe es bessere Chancen, Nutzerinteressen durchzusetzen, aber dem scheint nicht so zu sein. Dabei wäre es sogar eine Arbeitserleichterung für die Mitarbeiter*innen im BMI, da sie dann weniger Doppelanfragen und unstrukturierten Anfragen mehr per Email erhalten würden.

Die Community – allen voran die Open Knowledge Foundation wird nun prüfen, inwiefern sie dieses Leistungsversagen des Staates selbst durch ehrenamtliche Arbeit ausgleichen und eine Plattform zum Daten-Wünschen entwickeln – ähnlich wie bereits die Plattform fragdenstaat.de für Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz in ehrenamtlicher Arbeit entstand.

Auch die Erwartungen beider Seiten wurden ausgetauscht. Das BMI erhofft sich von einer weiteren Zusammenarbeit einen Sparringspartner mit Sachkompetenz, Hilfe bei der Strukturierung von Prozessen und kreativen Input. Die NGOs wiederum erwarten, dass ihr Input ernst und auf Augenhöhe entgegen genommen wird, dass wir vom Stadium des “wir müssen erst noch alle überzeugen” irgendwann übergehen ins Stadium “jetzt gibt es eine Anordnung und die ist umzusetzen”. Wir erhoffen uns aber auch Tipps und Anregungen, wo und wie wir am besten wirken können, um den Prozess zu beschleunigen. Diese Hoffnung wurde am wenigsten erfüllt. Es war erkennbar, dass die Mitarbeiter*innen des BMI nicht wagten, deutlicher zu werden, egal wie und wie oft man danach fragte, wo denn die Widerstände besonders groß wären und wie man beim Bohren der dicken Bretter denn am wirkungsvollsten von außen helfen könnte.

Es wurden dann aber doch noch eine ganz Reihe konkreter Maßnahmen vereinbart:

  • Monatlicher Konferenzcall Zivilgesellschaft-BMI (Christian Heise übernimmt die Organisation)
  • Halbjährliche physische Treffen (Verantwortung BMI)
  • Teilnahme von BMI Vertreter*innen an Open Data Cities Veranstaltung (OK Labs) – zur Vernetzung auch mit Programmierern, die Open Data verarbeiten, für einen Austausch auf kurzen Wegen
  • Vernetzungs- und Ideenverantstaltung für die Ansprechpartner Open Data in Bundesbehörden und weitere interessierte Verwaltungsmenschen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft – Arbeit im World Café oder mit Speed-Dating, um möglichst viele Kontakte und Ideenaustausch zu ermöglichen und einen Know-how-Transfer von Open Data Experten zu “Anfängern” zu erreichen. Hintergrund war die Äußerung, dass viele Behörden selbst keinen Schimmer haben, was sie so für Daten haben könnten und vor allem, was man damit so schönes anstellen könnte. Die Verbindung zu erfahrenen Open Data Nutzer*innen könnte hier neue Ideen generieren und damit Akzeptanz für das Thema erhöhen. (BMI)
  • Das BMI wird eine Möglichkeit bereitstellen, online Feedback/Ideen/Wünsche von der Zivilgesellschaft entgegenzunehmen – bis dahin kann derartiges Feedback einfach per Mail an das Open Data Team geschickt werden (info(at)govdata.de).
  • Gewünscht wird z.B. Feedback, welche Datensätze aus den vom Bund “prioritär” bezeichneten Bereichen von besonderem Interesse sein könnten. Wem also Datenwünsche zu den folgenden Themen einfallen – laßt es das BMI wissen!

          Prioritäre Themenfelder:

    • Verkehr und Mobilität (hier sind Echtzeitdaten natürlich besonders spannend)
    • Energiewende
    • Klimawandel und Klimaschutz
    • Demographischer Wandel
    • (Netz-) Infrastrukturen
    • Öffentliche Einnahmen und Ausgaben

Wäre es zum Beispiel nicht richtig großartig, den Infrastrukturatlas der Bundesregierung zum Breitbandausbau für alle öffentlich zugänglich zu machen? Bisher können nur Unternehmen und/oder Mitarbeiter*innen von Verwaltungen an diese Karten ran, einen Grund kann ich dafür nicht erkennen. Zu öffentlichen Ausgaben beschrieb Anna-Maija Mertens von Transparency International, wie positiv sich in der Stadt Helsinki die Veröffentlichung nicht nur der geplanten öffentlichen Haushalte sondern der tatsächlichen Ausgaben (wieviel, wofür, an wen? wann? wo?) auswirkte. So fiel plötzlich auf, dass etwa Druckerpatronen von einigen Behörden für den doppelten Preis eingekauft wurden – solche Mehrausgaben lassen sich durch Transparenz vermeiden. Keine Frage, dass es auch die Korruption schwerer hat, in einem derart nachvollziehbaren System. Solche Daten zu veröffentlichen, wäre also eine großartige Idee. Auch in Großbritannien gibt es diese Informationen schon seit Jahren, online, durchsuchbar und einfach.

Einer unserer weiteren Wünsche, die Daten auf dem govdata Portal besser durchsuchbar zu machen, z.B. Filter für Verwaltungsebenen wie Bund/Land/Kommune anzubieten und nach Daten einzelner Behörden zu suchen, ist nach Aussage des BMI bereits in der internen Debatte, hoffen wir, dass es beim nächsten Update umgesetzt ist!

Mein Fazit: Die Open Data Mitarbeiter*innen des BMI sind offenbar ernsthaft an einem Austausch auf Augenhöhe interessiert, aber die Open Government Mühlen mahlen dennoch extrem langsam, die Widerstände in der Verwaltung selbst sind hoch, der Kulturwandel noch lange nicht erreicht. Wir bohren also weiter an den dicken Brettern, werden aber weiter aktiv am Kooperationsprozess der Zivilgesellschaft mit der Bundesregierung teilnehmen.